Samstag, 20. Oktober 2007

100meterphyt




Der Götterbaum (Ailanthus altissima) ist Neophyt, d. h. eine Pflanze, die erst in der Neuzeit in Europa eingewandert ist. Der Götterbaum ist also Migrant und Kosmopolit.
Die ersten Pflanzen gelangten 1740 durch den Jesuiten Pierre D'Incarneville nach Paris. Sowohl die Verwendung als Zierpflanze als auch der Versuch, den Baum wirtschaftlich zu nutzen, trugen zu seiner Verbreitung bei. In Wien bemühte man sich, mit Hilfe dieses Baumes den Seidenspinner als Nutztier in Europa einzuführen und trug damit zu einer verwilderten Population in Wien bei. In Berlin wurde er bereits 1780 als Zierpflanze kultiviert.

Wild wachsende Götterbäume sind heute als spontane Populationen v. a. auf Brachflächen zu finden. Durch ihre rasche Ausbreitung und Widerstandsfähigkeit werden sie oft als "wertlos" betrachtet und als "Unkraut" bekämpft.
Wider dieser Geringschätzung des Migranten Götterbaums bildet der von dem Landschaftsarchitekturkollektiv kampolerta installierte Vorhang aus 100m Götterbaum einen einladenden, raumübergreifenden Eingang zum Kunstmarkt 2 Am Schöpfwerk vor der Bassena.
Während des Kunstmarktes wurden 100 BesucherInnen aufgefordert bewusst durch den Vorhang zu schreiten. Die nummerierten BesucherInnen wurden fotographisch festgehalten und sind im Video 100meterphyt zu sehen.
An die TeilnehmerInnen wurde ein Kunstwerk – ein Goldgerahmter Negativabdruck eines Götterbaumblattes – verlost.

100 meter Götterbaum am Kustmarkt 2







Kunstmarkt 2 Am Schöpfwerk
Die Großwohnanlage Am Schöpfwerk, wo der Kunstmarkt am Schöpfwerk stattfindet, wird von ca. 4.950 Menschen in 1.650 Gemeindewohnungen belebt. Die stark monostrukturelle Bevölkerung bezüglich Alter und Einkommen und das Faktum, dass mehr als 50% der BewohnerInnen einen Migrationshintergrund haben, verursachen zunehmende Tendenzen der Ausgrenzung und gesellschaftlichen Spaltung. Ein Umstand, an dem das Stadtteilzentrum Bassena am Schöpfwerk mittels Gemeinwesen- und Projektarbeit seit der Errichtung der Anlage in den 1970er-Jahren arbeitet.

Als eines ihrer Projekte organisiert die Bassena einen wöchentlichen Gratis-Bazar, von wo etwa Spielzeug, Geschirr oder Kleidung gratis mitgenommen werden können. Inspiriert von diesem Prinzip entstand 2006 der Kunstmarkt am Schöpfwerk, zu dem auch heuer wieder SchöpfwerkerInnen, KünstlerInnen und alle, die daran teilnehmen wollen, eingeladen sind, Kunstwerke zu spenden, um sie dann ebenfalls gratis weitergeben zu können.

Zusätzlich dazu wurden für den diesjährigen Kunstmarkt KünstlerInnen, AktivistInnen und Guides eingeladen, sich mit der Schöpfwerkanlage als solcher auseinanderzusetzen. Es entstanden partizipative Projekte von den anziehenden GirlsOnHorses, Mai Gogishvilli, Biggi Holzwarth, René H. und Reni Hofmüller; ein Musikschwerpunkt durch den social music kiosk Brandon La Belles und der queeren indie-pop Band Dominique aus Berlin; Führungen durch das Schöpfwerk mit dem Graffitiforscher Thomas Northoff und dem Schöpfwerker „Fremdenführer“ Ferry Rodinger, die ungeahnte Einblicke in die politische Lage am Schöpfwerk geben; ein entsprechend der BewohnerInnenanzahl in 4950 Stück aufgelegtes Multiple von ANRONVIAGDPIOVSA/2007 und eine Intervention der jüngst Furore gemacht habenden pflanz-guerilla-gruppe kampolerta. Die globalisierungskritische SambAttac-Bateria wird den Markttag um 14.00 eröffnen und u.a. an der Insel der KulturdrogistInnen am zentralen Marktplatz des Schöpfwerks vorbei protestieren. Und Anna Witt wird u.a. in der Bassena mit dem polizeilichen Kommando „Get down there!“ begrüßen.

www.bassena.at